Seckelmanns Sieben Sachen

Wir stehen gerade am Flughafen in Dar es Salaam und warten bis wir einchecken dürfen.

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Das Kreuz des Südens

Im Moment haben wir kein Zuhause. Mbesa haben wir schon hinter uns gelassen und in Deutschland sind wir noch nicht angekommen. Wir hängen zwischen diesen beiden Welten. Es kommt uns alles ziemlich unwirklich vor. Wir können es noch gar nicht glauben, dass unsere Zeit in Tansania zu Ende ist.

Aber heimatlos sind wir nicht. Wir sind nur auf dem Weg von der alten Heimat, die uns Mbesa die letzten Jahre war, hin zu unserem neuen Zuhause, das uns Frankfurt in Zukunft wieder sein wird.

Und für uns gilt auch, was im Hebräerbrief steht: „Auf dieser Erde gibt es keine Stadt, in der wir für immer zu Hause sein können. Sehnsüchtig warten wir auf die Stadt, die im Himmel für uns erbaut ist.“ ( Hebräer 13, Vers 14)

Diese himmlische Heimat ist unser Ziel und gibt unserem Leben die Richtung. Das ist kein Vertrösten auf den Himmel, sondern unser Zielort, mit dem wir die Route hier auf der Erde planen. Sonst hätten wir die Buckelpiste nach Mbesa nie befahren.

Seit Jahrhunderten haben Seefahrer die Sterne zur Orientierung genutzt. Das war nur möglich, weil die Sterne außerhalb von ihnen lagen und unveränderlich waren. So konnten die Schiffe auch im Sturm, auf dem richtigen Kurs bleiben.

Kreuz des Südens

Das Kreuz des Südens

Gerade wenn vermeintliche Sicherheiten und Gewissheiten verloren gehen, sei es, dass wir persönlich schwierige Zeiten erleben, Migration unsere Gesellschaft verändert, oder Terror und Umweltzerstörung uns bedrohen, braucht man festen Halt

Wer in Krisen die Orientierung für sein Leben in sich selber sucht, oder sich mit dem Mainstream treiben lässt, könnte sich genauso gut die Sterne am Hauptmast festmachen. Damit kann man sich eigentlich nur um sich selber drehen und durchs Leben dümpeln.

In Mbesa kann man wegen des geringen Streulichts einen wunderschönen Sternenhimmel bestaunen. Über unserem Haus stand immer das Kreuz des Südens. Das werden wir jetzt leider nicht mehr sehen, aber am Kreuz werden wir uns auch weiterhin orientieren.

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Lieber ein Zebra streifen als einen Bullen überfahren

Die zweite Etappe unserer Reise nach Dar es Salaam haben wir heute gut gemeistert. Wir warten hier noch ein paar Tage bis unsere Seelen nachgekommen sind, bevor wir am Freitag ins Flugzeug nach Deutschland steigen.

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Mbesa no more

Jetzt ist es soweit. Heute sind wir unter vielen Tränen aus Mbesa abgereist.

Gott hat dort bemerkenswertes Bodenpersonal. Es war uns eine Ehre, dazugehört zu haben.

Von Samsung Mobile gesendet

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Das gefährlichste Landlebewesen Afrikas (Vorsicht Blut!)

In Tansania gibt es das gefährlichste Landlebewesen Afrikas an jeder Ecke. Letzte Woche hat es wieder zugeschlagen. Da muss man aufpassen.  Bei einer kleineren Meinungsverschiedenheit auf dem Reisfeld, zückte eine Frau ihre Sichel und zog sie ihrer Kontrahentin mehrfach kräftig durchs Gesicht.

Schnittwunde

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Die glatten Schnittkanten waren schnell wieder zusammengenäht, aber der Riss in der Beziehung der beiden Frauen ist wohl tiefer, als dass chirurgisches Nahtmaterial da etwas ausrichten könnte.

Immer wieder bekommen wir im Krankenhaus Patienten mit gefährlichen Hieb- oder Stichverletzungen, die scheinbar hemmungslose Menschen einander mit Macheten, Messern oder Knüppeln zufügen. Heute fragte die Polizei an, ob einer unserer Ärzte mit ihnen in einem Dorf eine Leichenschau durchführen könne. Jemand war so zugerichtet worden, dass er es gar nicht mehr bis ins Krankenhaus geschafft hat.

Ein bisschen mehr Nächstenliebe und Barmherzigkeit und Respekt vor dem Leben des Anderen wäre wohl angebracht. Aber wo soll das herkommen in einer Gesellschaft, in der die christlichen Einflüsse keine 100 Jahre alt sind?

Wir Missionsärzte haben deshalb immer versucht, nicht nur medizinische Hilfe zu bringen, sondern auch die Wurzel der Probleme anzugehen. Die christliche Botschaft eines menschenliebenden Gottes, der Vergebung möglich macht, ist wie nichts anderes geeignet, echte Veränderung zu bringen.

Weil wir jetzt weggehen, überwiegt bei unseren Patienten die Sorge, was werden wird, wenn keine Missionsärzte mehr da sind. Selbst Krankenhausmitarbeiter sagen: Wir haben Angst, wenn ihr geht, weil ihr wirklich ein Interesse an den Patienten habt. Wir Afrikaner kümmern uns nicht so wie ihr Weißen.

Ihre Sorge ist berechtigt, aber es liegt nicht an unserer Hautfarbe. Denn es gibt viele weiße Menschen, die sich einen Dreck um andere scheren, Flüchtlingsheime anzünden oder in feinster kapitalistischer Manier den eigenen Profit vor das Wohl anderer stellen. Und wer weiß, wie viele Menschen wir ‚Weißen‘ durch Politik oder allein durch unser Konsumverhalten auf dem Gewissen haben?

Der Grund warum wir Missionsärzte anders sind, hat weniger mit unserer Hautfarbe, sondern mehr damit zu tun, dass wir dem Auftrag Jesu folgen.

Das kann man mit jeglicher Hautfarbe. Einfach Jesus ernst nehmen, der gesagt hat, wir sollen den Anderen so behandeln, wie wir selber gerne behandelt werden möchten. Diese Formel ist in jeder Kultur anwendbar – ohne Übersetzung und ohne sie zu zerstören. Und selbst wenn man mit Gott gar nichts am Hut hat, würde man die positiven Effekte solch eines Verhaltens nicht bestreiten. Wir wissen alle wie es geht – nur tun müsste man es noch.

Das ist unsere Hoffnung für Mbesa auch wenn wir weg sind. Dass sich Einzelne von Gott verändern lassen und dann aus Ehrfurcht vor ihm, ihre Mitmenschen so behandeln, wie sie sich das für sich selber oder ihre engsten Verwandten wünschen würden.  In Mbesa ist sicherlich viel Luft nach oben, aber es hängt definitiv nicht an uns Weißen. Es ist immer der Einzelne, der in der konkreten Situation den Unterschied machen wird.

Wir waren in Tansania, um Jesu Botschaft in Wort und Tat zu verbreiten. Es hat sich gelohnt. Wir haben vielen Menschen geholfen und die Gute Nachricht gesät. Wir sind gespannt, welche von den Samen wann und bei wem aufgehen und Früchte tragen werden – sei es bei der Patientenversorgung im Krankenhaus, oder bei Streitigkeiten auf dem Reisfeld.

 

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Schlaflos in Mbesa

Wir hatten einen freien Abend. Alle Kinder waren zu einer Übernachtungsfeier bei unseren Lernhelferinnen. Wir konnten uns nicht erinnern, wann wir das letzte Mal sturmfreie Bude oder eine störungsfreie Nacht hatten.

Es war kurz vor Mitternacht als mein Mobil-Telefon klingelte. Da ich Hintergrunddienst für eine junge Kollegin hatte, musste ich wohl oder übel drangehen. Der Krankenhaus-Administrator war am Apparat und wollte wissen, wie viele Leistenbrüche wir letztes Jahr operiert hatten. Ich dachte: „Ich spinne“.

Er war gerade vom DMO, dem District Medical Officer (= oberster Kreisarzt) angerufen und um diese Information gebeten worden. Ich dachte: „Der spinnt“.  Keine Ahnung, was an unseren Leistungszahlen so Bedeutsames ist, dass sie uns um die Nachtruhe bringen sollten. Wenn mir mitten in der Nacht irgendetwas egal ist, dann wie viele Leistenbrüche wir letztes Jahr operiert haben. Vielleicht war der DMO davon ausgegangen, dass wir in Mbesa rund um die Uhr arbeiten und dem Schlaf mit dem hippokratischen Eid abgeschworen haben – und schließlich sind wir ihm reportpflichtig.

Immer wieder tauchen staatliche Kommissionen im Krankenhaus auf. Um jede Tageszeit, egal ob Feierabend oder Wochenende heißt es dann, Rede und Antwort stehen. Das ist eines der vielen zweifelhaften Vergnügen am Chefarztdasein.

Schade, dass beim DMO nicht alle Sachen so eine Priorität haben. Seit April 2016 warten wir auf einen Gesprächstermin mit ihm, um weitaus wichtigere Dinge zu besprechen, die den Fortbestand des Krankenhauses sichern helfen sollen. Wer weiß, wann wir da mal vorankommen. Aber immerhin interessiert der DMO sich für eine unserer Zahlen.

Vielleicht fragt sich ja auch der ein oder andere unserer Leser, was wir eigentlich die ganze Zeit machen und ob die Spenden gut angelegt sind.

Wir behandeln jeden, der es zu uns ins Krankenhaus schafft -vom Frühgeborenen bis zum Greis, egal ob mit Befindlichkeitsstörung oder lebensbedrohlicher Erkrankung. Manchmal müssen wir die Therapien für unsere Rahmenbedingungen etwas abwandeln. Das ist nicht optimal, aber trotzdem oft sehr effektiv. Wie bei diesen beiden Kleinkindern mit Oberschenkelbrüchen, die 4 Wochen ‚aufgehängt‘ werden.

Skintraktion

Nachts beschäftigt uns hauptsächlich der Kreißsaal. Durchschnittlich haben wir pro Jahr 1400 Geburten, wovon 27% kompliziert sind.

Und damit wir nicht nochmal nachts dafür geweckt werden, veröffentlichen wir hier auch die wichtigsten Operationszahlen des vergangenen Jahres.

Major Surgical Procedures

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Ein Anfängerfehler

Im Flur lag eine tote Kakerlake. Meine Frau bat mich, diese zu entfernen. Kein Problem, dachte ich und sagte ich. Leider stieß ich bei ihrer Entsorgung in unserem Arbeitsraum auf eine Schlange, der ich schlagartig meine ganze Aufmerksamkeit widmen musste. Es war eine große Schlange. In Tansania sind alle Schlangen per Definition ‚groß‘. Wenn ein Tansanier von einer Schlange berichtet, ist sie mindestens groß oder sehr groß. Schlangen werden im Allgemeinen und erst recht im Speziellen als so bedrohlich wahrgenommen, dass sie niemals als ‚klein‘ bezeichnet werden. Die Schlange in unserem Haus war ungefähr doppelt so groß wie der letzte Mitbewohner dieser Art (bedrohliche Artenvielfalt), aber genauer gesagt immer noch eher relativ groß.

Ich animierte meine Kinder sofort, mir etwas zum Schlagen zu bringen. Ich musste die Schlange ja im Blick behalten. Mit Lottis Fahrrad versuchte ich ihr den Fluchtweg abzuschneiden, weil ich Angst hatte, dass sie sich irgendwo verkriechen würde. Ich hatte mir geschworen, dass, wenn wir mal eine Schlange im Haus haben sollten, ich sie auf gar keinen Fall aus den Augen lassen würde. Da die schlagkräftige Unterstützung meiner Familie etwas auf sich warten ließ und die Schlange trotz (oder wegen) meiner Fahrradintervention in Bewegung blieb, war ich etwas unter Zugzwang. Deshalb tat ich genau das, was man in so einer Situation niemals tun sollte – ich ließ die Schlange kurz aus den Augen. Ich holte mir schnell aus dem Nebenraum eine Schaufel. Danach war die Schlange natürlich weg.

Noch blöder als eine Schlange im Haus zu haben ist, eine Schlange im Haus zu haben und nicht mehr zu wissen wo sie ist. Was für ein Anfängerfehler obwohl wir schon ein paar Jahre in Afrika leben. Es stellte sich bei mir ein gewisses Unbehagen ein, das ich auch in Worte fassen musste – Worte, die unsere Kinder nicht sagen dürfen. Cajus wurde kurz in den Gebrauch von Chemiewaffen (Insektenspray) eingewiesen, um der Schlange den für mich ungünstigsten Fluchtweg aus ihrem vermuteten Versteck zu blockieren. Dann zog ich eine Tonne unter dem Regal hervor.

Wenn man etwas Verlorenes wiederfindet, freut man sich. Ich war wirklich froh, die Schlange zu treffen. Was für ein Perspektivwechsel. Zuerst war ich geschockt, eine Schlange in unserem Haus zu sehen. Nachdem sie weg war, war ich regelrecht froh sie zu wieder zu sehen. Manche Dinge (und scheinbar auch Schlangen) muss man wohl erst verlieren, um sich beim Wiederfinden angemessen über sie zu freuen. Weitere Einzelheiten gibt es nicht zu berichten und wir haben auch leider kein Bild der Schlange, weil unsere Katze sie aufgefressen hat. Aber zum Beweis, dass wir eine Katze haben, können wir folgendes Bild einer anderen Begebenheit vorlegen.

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Katze (Felis silvestris) mit Puffotter (Bitis arietans)

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I alone can fix it

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Dieses Bild zeigt die Menge der Tabletten, die ich (Carsten) während der ersten 6 Monate diesen Jahres schlucken musste. Von 3x Malaria bis zu hartnäckigen Atemwegs- und monatelangen Hautinfekten war einiges dabei. Wir sind dankbar, dass wir so viele Medikamente zur Verfügung haben.

Denn dieses Vorrecht hat nicht jeder. Einmal hatte Jose, Cajus bester Freund, Fieber und Kopfschmerzen und es ging ihm nicht gut. Ich nahm das erstmal nur zur Kenntnis. Meistens handelt es sich um Malaria. Am nächsten Tag war er wieder bei uns. Aber meine Frage, ob sein Blut untersucht worden sei oder er Medikamente bekommen habe, verneinte er. Er saß nur still in einer Gartenecke bei uns und hatte sich damit abgefunden, sein Elend auszuhalten. Seine Mutter hatte ihm kein Geld für die Blutuntersuchung oder die Medizin geben.

Wir haben leider eine sehr genaue Vorstellung davon, wie man sich mit einer Malariaerkrankung fühlt. Zuletzt wurde die Erinnerung daran vergangene Woche wieder aufgefrischt.  Die Fieberschübe ohne Schmerzmittel geschweige denn Malariatherapie durchzustehen, ist nicht so lustig. Wir haben natürlich immer die nötige Medizin zu Hause, so dass wir unseren Freund sofort behandeln konnten. Es ging ihm schnell wieder besser, aber es war doch eine bedrückende Erfahrung.

Wir konnten dieses Mal mit unseren Mitteln helfen. Das ist natürlich der erste Reflex. Aber das Problem liegt leider sehr viel tiefer. Warum bringt eine Mutter ihren Sohn nicht zum Arzt oder kauft ihm wenigstens Medikamente wenn es ihm schlecht geht? Die Mutter ist lethargisch, Geld ist nicht genug da und ihr neuer Partner sieht wahrscheinlich auch keine große Veranlassung sich um ein fremdes Kind zu kümmern. Da muss der Junge auf Hilfe warten.

Wir erleben hautnah mit, dass sich viele Menschen keine Untersuchungen oder Medikamente leisten können, obwohl unsere Preise niedrig sind, weil sie durch Spenden subventioniert werden. Viele Menschen aus den Dörfern warten lange bis sie etwas unternehmen und leiden stattdessen. Besonders für Kinder dauert es manchmal lange, bis Geld locker gemacht wird. Es ist unglaublich, was Menschen aushalten können. Wenn es dann unerträglich wird, suchen sie von Nachbarn oder Familienangehörigen Geld zusammen, behandeln sich selber, gehen zum Zauberdoktor oder kommen ins Krankenhaus. Nicht selten ist es wenn sie zu uns kommen schon zu spät. Aus einer unkomplizierten Malariainfektion ist eine tödliche Erkrankung geworden oder eine banale infizierte Wunde führt zur Amputation. Tragischer weise ist der 11-jährige Bruder von o.g. Jose vor kurzem an Malaria gestorben. Seine Erkrankung war so weit fortgeschritten, dass wir ihm nicht mehr helfen konnten. Dieser Junge war genauso alt wie Cajus.  Jose‘s Tränen auf der Beerdigung seines Bruders waren eine unserer traurigsten Erfahrungen hier.

Immer wieder fehlt es am Nötigsten. Geld würde im Einzelfall zwar helfen, löst aber das Grundproblem nicht. Es fehlt viel mehr. Erstmal müsste jeder verstehen, wie sehr er selber von Gott geliebt ist. Die Achtung vor jedwedem Leben hätte dann endlich eine stabile Grundlage, auf der echte Nächstenliebe möglich wäre.  Desweiteren müsste auch noch eine gerechtere Gesellschafts- und Weltordnung her, in der die Grundbedürfnisse der Menschen gestillt sind. Wenn die armen Länder nicht nur die Absatzmärkte für westliche oder chinesische Produkte wären, sondern man diesen Menschen wirklich helfen wollte, müsste man sie fair behandeln. Z.B. in dem man ihnen ihre Produkte zu angemessenen Preisen abkauft. Da könnte man sich einiges an Entwicklungshilfe sparen. Wenn gerechte Politiker weise Entscheidungen für ihr Land träfen, Gelder nicht in falsche Taschen flössen und jeder einzelne seine Arbeit so gut wie möglich machen würde, könnte sich vieles zum Besseren wenden, ohne dass man einen Pfennig mehr investieren müsste.

Aber die Führungspersönlichkeit, die zeigt, wie man von einer egoistischen zu einer gerechten Weltordnung kommt, muss wohl erst noch geboren werden. So jemand würde darauf Wert legen, dass man nicht sein eigenes Wohl auf Kosten der Anderen bekommt, sondern das Wohl der Anderen im Blick behält. Es wäre ein krasser Perspektivwechsel, nicht mehr um sich selbst zu kreisen, sondern den Anderen in den Mittelpunkt zu stellen. Das würde auch perfekt in der Ehe oder anderen Beziehungen funktionieren. Man könnte den Wünschen des Partners Vorrang geben und vor allem sich selbst nicht so wichtig nehmen. Man muss kein Paarberater sein, um die positiven Effekte vorherzusehen – ein Geheimtipp für gelingende Beziehungen.

Ob es jemals soweit kommt? Aber zum Glück muss man nicht darauf warten, dass die gerechte Welt irgendwann endlich mal von irgendwelchen Staatenlenkern angefangen wird. Man könnte einfach selber in seiner Familie und bei den Menschen in der nächsten Umgebung damit anfangen, egal, welche Autokraten, Despoten, Populisten oder Egomanen die Welt regieren.

Wenn man damit anfängt, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, sondern dem Wohl des Anderen den Vorzug zu geben, würde man merken, wie schön das Zusammenleben sein kann. Man würde vielleicht mehr fair gehandelte Produkte kaufen oder andere Ideen für einen gerechteren und umweltfreundlicheren Welthandel unterstützen. Aber vor allem würde einem relativ schnell klar werden, wie egoistisch man eigentlich doch noch ist. Und wenn man halbwegs ehrlich zu sich selbst ist, müsste man zugeben, dass man es nicht wirklich schafft, so zu leben. Man hätte so im Handumdrehen den Beweis seiner eigenen Erlösungsbedürftigkeit bekommen.

Wenn man mal soweit ist, müsste man eigentlich nur noch das Neue Testament lesen. Denn darin geht es im Wesentlichen um den Erlöser für die Erlösungsbedürftigen. Es fängt ohne Umschweife mit seiner Geburt an. Im Neuen Testament geht es darum, den ernst zu nehmen, der gesagt hat: „I alone can fix it“ (bitte jetzt nicht an einen amerikanischen Politiker denken). Der Typ aus der Krippe hat tatsächlich behauptet: „ Ich bin die einzige Lösung für eure Probleme, ich bin der einzige Weg zu Gott“. Politisch korrekt ist so ein Spruch nicht. Jesus polarisiert. Jeder muss sich irgendwann mal entscheiden, ob er Jesus glaubt oder ihn für den größten Hochstapler aller Zeiten hält. Alles dazwischen würde ihm nicht gerecht werden.

Unserer Meinung nach würden sich die Probleme von Kindern wie Jose und seinem Bruder, die nicht rechtzeitig genügend Medikamente für ihre Malaria haben, besser lösen lassen, wenn man dem Christkind glaubt, wofür es in die Welt gekommen ist. Deswegen sind wir hier in Tansania Missionare, nicht nur Entwicklungshelfer.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern unseres Blogs, und natürlich auch allen Nichtlesern, eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit.

 

 

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Authentic Africa

Afrika ist ein faszinierender Kontinent. Die Menschen leben so ganz anders als in Europa und es ist interessant, möglichst authentische Einblicke in dieses Leben zu bekommen. Es ist erstrebenswert, nicht nur die Touristen-Version präsentiert zu bekommen, sondern das echte Leben kennenzulernen. Oder?

Wir würden sagen: „Kommt drauf an“. Während wir neulich im Land unterwegs waren, hatte sich unser anderthalbjähriger Knabe einen ausgewachsenen Magen-Darm-Infekt eingehandelt. So etwas ist schon zu Hause nicht lustig, aber auf Reisen ist das erst recht nicht vergnügungssteuerpflichtig. Ein Kind, das in einem fort erbricht, ist besonders im Auto nicht so super. Ausserdem lief ihm sein Stuhlgang in Nullkommanix bis in die Schuhe. Nach 4 Tagen war Junior so fertig mit der Welt, dass er dringend Infusionen brauchte. Obwohl unsere Hemmschwelle bzgl. hiesiger Gesundheitseinrichtungen groß ist, brachte ihn Sandra ins nächste Krankenhaus. Ich war leider nicht dabei, da ich mich zeitgleich um die kranke Schwiegermutter kümmern musste (Stirb langsam).

Eine Krankenschwester versuchte unserem dehydrierten Sohn eine Infusionsnadel zu legen. Ein ums andere Mal stach sie ohne Erfolg zu. Da mussten Mutter und Kind tapfer sein. Nach dem Zustechen wollte die Schwester die Nadel irgendwie loswerden und stach sie kurzerhand in die Matratze des Bettes. Das war schon nicht so ganz lege artes. Damit aber nicht genug. Ehe Sandra intervenieren konnte, zog die Schwester diese Nadel wieder aus der Matratze heraus und stach damit erneut in unseren Sohn hinein. Sandra war kurz davor wegzulaufen, Sanel blieb sowieso nur gegen seinen Willen. Aber uns blieben nicht viele Alternativen. Nach 8 Versuchen lief die Infusion endlich. Sandra lag mit Sanel in einem 30-Bett-Zimmer und war fast so fertig mit der Welt wie unser Sohn.

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Tansanische Krankenhausidylle

Sie wollte nach Ende der Infusion natürlich wieder nach Hause. Das wurde ihr aber verweigert. Sie sollte über Nacht bleiben, weil abends die Anmeldung nicht mehr besetzt war und sie deshalb nicht entlassen werden konnte. Das ist so üblich in tansanischen Krankenhäusern. Aber normalerweise stehen wir auf der anderen Seite. Diesmal durfte Sandra die Welt aus Patientensicht auskosten. Erst nach der Intervention einer befreundeten Ärztin, die wir am Tag zuvor kennengelernt hatten, durfte Sandra gehen. Sie musste sich verpflichten, auf jeden Fall am nächsten Tag zu einer bestimmten Zeit wiederzukommen, um weitere Medizin zu holen und die Formalitäten zu erledigen.

Am nächsten Morgen stand ich wie bestellt auf der Matte, aber es wusste natürlich niemand Bescheid. Ich sollte warten, bis der Apotheker kommt. Nach nicht einmal einer Stunde kam der freundliche Herr und hörte sich meinen Text an. Er sagte, dass er mir keine Medizin geben könne, weil er nicht an die Krankenakte rankäme. Das Archiv wäre am Sonntag abgeschlossen. Meine Güte, ich war doch extra deswegen herbestellt worden. Total authentisch. Als ich ihm erklärte, dass ich Arzt sei und meinem Sohn schon am Vortag die Medizin selber gespritzt hätte, drückte er mir die Packung netterweise ohne weitere Formalitäten in die Hand. Dankbar und um eine Erfahrung reicher zog ich ab.

Der Aufenthalt in dieser Heilanstalt war ein guter Einblick in die Lebensrealität von tansanischen Patienten. Bei allem was recht ist, aber es hätte ruhig etwas weniger authentisch sein dürfen.

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Stirb langsam

Oma und Opa hatten sich aufgemacht, ihre entfernte Verwandtschaft in Tansania zu besuchen. Am Rande von Tansania wollten wir gemeinsam Urlaub machen.

Zuerst lief alles nach Plan. Aber in Matema am Nyassa-See war meine Schwiegermutter nachts plötzlich kaum noch ansprechbar. Wir waren maximal besorgt wenn nicht latent panisch. Es ist immer super, wenn man Ärzte dabei hat, aber mittellos und fernab von geeigneter medizinischer Infrastruktur hilft einem das Wissen um die Bedrohlichkeit des Zustandes auch nur bedingt weiter. Not lehrt beten. Aber da wir auch in Friedenszeiten den heißen Draht nach oben pflegen, mussten wir das Beten nicht erst lernen. Es gelang uns mühelos.
Die beste Erklärung für die akute Zustandsverschlechterung meiner Schwiegermutter war eine Überdosierung ihrer Pregabalin-Therapie. Da sie die Höchstdosis nehmen musste, war es wohl zu einer Kumulation gekommen. Wir legten sie in die stabile Seitenlage und wachten die ganze Nacht bei ihr. Am nächsten Morgen war, bei 6 Stunden Halbwertszeit des Medikaments, eine Besserung zu erwarten. Wie froh waren wir, dass es der Oma morgens deutlich besser ging. Somit war unsere Verdachtsdiagnose bestätigt. Leider Verschlechterte sich ihr Zustand im Verlauf des Tages wieder, obwohl sie keine weiteren Tabletten eingenommen hatte. Jetzt war guter Rat teuer. Sie saß nur noch teilnahmslos im Stuhl und reagierte gar nicht mehr. Spätestens da war für uns der Zeitpunkt, die Reißleine zu ziehen. Dank Rückholversicherung beim ADAC, waren die nächsten Schritte klar.
Der Erstkontakt mit dem ADAC war gut, aber der entscheidende Rückruf des Arztes hätte ruhig ein paar Stunden früher erfolgen können. Da sitzt man am Ende der Welt mit seiner akut bedrohten Schwiegermutter und wartet Stunde um Stunde auf Hilfe. Zum Glück schätzte unser ärztlicher Kollege am Telefon die Situation genauso ein wie wir, aber meinte gleich, es könne gut 5 Tage dauern, bis der ADAC den arztbegleiteten Rücktransport organisiert hätte. Das klang ein bisschen so wie „Stirb langsam, unsere Hilfe kommt nicht so schnell“. Aber er versprach einen Rückruf am gleichen Abend (oder in der Nacht), damit wenigstens der Inlandstransport nach Dar es Salaam zur Erstversorgung und –diagnostik schon mal stattfinden konnte.

Als am nächsten Morgen immer noch nichts passiert war, bemühten wir wieder die Hotline. Leider gab es keine Direktnummer, über die man einfach hätte kommunizieren können. Wir sagten, dass wir den Transport nach Dar es Salaam inkl. Ambulanzflug auch selber organisieren könnten.
Mit gepackten Koffern warteten wir wieder auf einen Rückruf von jemandem, der zuständig war. Eigentlich brauchten wir nur das Signal, dass wir endlich zum nächsten (4h entfernten) Flughafen losfahren konnten. Irgendwann kam dann ein Anruf von einem anderen Arzt. Er wollte wissen, wie es der Patientin ginge und meinte, dass sie besser nicht so weit gereist wäre, wenn sie nicht ganz gesund ist. Ich wollte ihn fragen, was das jetzt für ein beklopptes Thema sei, aber es gelang mir höflich zu bleiben. Ich bot stattdessen nochmal an, dass wir zur Beschleunigung den Inlandstransport auch selber organisieren könnten. Dieses Angebot wurde brüsk zurückgewiesen. Das ginge aus der Zentrale in München schneller. Dass wir am Vorabend schon eine Abholung aus Matema und einen Ambulanzflug von Mbeya aus auf standby hatten (was wir aber abgesagt hatten, weil der ADAC sich nicht meldete), ist nur eine ironische Randnotiz. Ich erlaubte mir noch die Bemerkung, dass man aus Matema nicht ausgeflogen werden könne, sondern mit dem Auto fahren müsse. Ach so, wo denn der nächste Flughafen sei? Alles Fragen, die beim Erstkontakt natürlich schon detailliert aufgenommen worden waren.

Als wir schon nicht mehr glaubten, dass an dem Tag überhaupt noch etwas passieren würde, kam der Anruf wir sollten jetzt ganz schnell machen. Ein Flieger aus Nairobi wäre in 2h in Mbeya. Gebetsmühlenartig erklärte ich wieder, dass unsere Fahrt bis Mbeya 4h dauern könnte. Das Flugzeug würde dann in Mbeya auf uns warten müssen. Als die Dame die Landkarte unserer Region öffnen wollte, entschuldigte sie sich, dass ihr Computer so langsam sei. Ich musste einen hysterischen Anfall unterdrücken. Ich sicherte ihr mein vollstes Verständnis zu, wir seien afrikanische Verhältnisse gewöhnt.

Da die Koffer schon gepackt waren, fuhren wir sofort los. Auf halber Strecke erhielt ich einen Anruf aus Nairobi. Die Amref-Zentrale, die für den Ambulanzflug verantwortlich war, fragte wo wir blieben. Der Flughafen in Mbeya würde um 20 Uhr schließen, wir sollten uns beeilen. Eine interessante Info, die man uns auch sofort hätte geben können. Da wir erst um 16:30Uhr losfahren konnten und 3-4h Fahrtzeit zu veranschlagen waren, hätte man das Ganze eigentlich vor Abfahrt schon absagen können. Na ja, wer A sagt muss auch schnell fahren. Unter Missachtung aller Verkehrsregeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen und unter Ausnutzung beider Fahrspuren kamen wir auf der kurvigen Strecke gut voran. Ich legte mir vorsichtshalber, für den Fall, dass wir in eine Polizeikontrolle kommen würden, eine sprachlich und kulturell angemessene Argumentation für mein regelwidriges Verhalten zurecht. Obwohl man mittlerweile mit der Polizei hier nicht mehr viel diskutieren kann.
Alle halbe Stunde kam ein Anruf, wie weit wir noch entfernt seien. Ich entschloss mich deshalb eine Abkürzung zu nehmen, die allerdings nicht geteert war.

Rallye Matema-Songwe Airport

Rallye Matema-Songwe

Dort waren wenigstens keine Polizeikontrollen und wir kamen um den Stadtverkehr in Mbeya herum. Es war eine echte Rallye-Fahrt durch die Bergdörfer, zwischendurch immer mal nach dem Weg fragend und bei Google Maps nachschauend ob wir noch richtig waren. Und immer wieder diese Anrufe wie lange wir noch bräuchten und u.a. was die Patientin überhaupt hätte. Ich konnte überzeugend rüberbringen, dass ich keinen Nerv zum Telefonieren hatte. Dieser Höllenritt war für meine Schwiegereltern kein Spaß. Zum Glück blieben Auto, Insassen und alle die am Wegrand waren unbeschadet. Nach 3h, immerhin 20 Minuten vor der Frist, waren wir da. Die uns in Empfang nehmende Ärztin hatte tatsächlich Null Informationen zu ihrem Fall. Ich stand zwar noch unter Strom, konnte mich aber nicht mehr aufregen. Da ich wenigstens nicht mehr einhändig im Dunklen durch den Wald brettern musste, konnte ich meiner Kollegin noch schnell die Krankengeschichte erzählen. Die Patientin wurde ins Flugzeug gebracht und mein Adrenalinspiegel sank wieder. Aber es geschah nichts. Ich wartete bis sie endlich abheben würden, bekam aber stattdessen den Anruf, dass sie nicht starten könnten, weil die Startbahn unbeleuchtet sei. Ich dachte, ich bin im falschen Film. Dieses pikante Detail hätte durchaus bekannt sein können, da es diese Lichter dort noch nie gab. Außerdem wird es in Äquatornähe jeden Tag zur gleichen Zeit dunkel. Man hätte demnach schon mindestens seit mehreren Jahrhunderten wissen können, wann dort die Nacht beginnt. Das war einfach nur ganz schlechtes Kino. Wir übernachteten alle zusammen in einem Gästehaus und der Flug ging früh am nächsten Morgen los.

Die Abklärung in einem Dar es Salaamer Krankenhaus mit einer Computertomographie des Kopfes blieb unauffällig. Das war zu erwarten, aber nötig zum Ausschluss anderer Erkrankungen und Feststellung der Flugfähigkeit. Ursächlich war wohl tatsächlich die Pregabalin-Überdosierung gewesen. Wir durften das Medikament aber nicht abrupt absetzen, weil es sonst zu Krampfanfällen etc. kommen könnte. Nach einer Einnahme-Pause, mussten wir also mit der Einnahme vorsichtig wieder beginnen. Man kann auf beiden Seiten vom Pferd runterfallen. Obwohl sich der Gesundheitszustand deutlich besserte, war deshalb ein begleiteter Rückflug nötig. Ob nur ein Arzt, oder auch ein Sanitäter mitfliegen müsse, sollte in einem Arzt-Gespräch geklärt werden. Als der ADAC-Arzt anrief, wusste er nicht, was er fragen sollte. Das war irre und fast schon wieder lustig. Man hätte ihn wohl besser informieren müssen, worum es ging. Zum Glück konnte mein Schwiegervater aushelfen. Wir entschieden uns gegen eine zweite Begleitperson, weil es bei stabiler Patientin nur um eine Absicherung ging und der Flug sich sonst noch weiter verzögert hätte. Der Rückflug fand tatsächlich 5 Tage nach Erstkontakt statt. Im Grunde lief alles wie am Schnürchen, nur dass die Schnur ziemlich lang war. Wir sind dankbar, dass alles gut gegangen ist und unser Abenteuer-Urlaub vorbei ist. Wie erholsam der Alltag sein kann.

Fazit: Wir danken Gott, dass alles gut gegangen ist. Wir haben in dieser belastenden und bedrohlichen Situation sehr viel Unterstützung von vielen, z.T. wildfremden Menschen unterschiedlichster Hautfarbe bekommen. Das hat sehr gut getan. Auch die Hilfe des ADAC wissen wir sehr zu schätzen, aber es gibt Abzüge in der B-Note.

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